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Tut’s aber nicht, erklärten die Experten Peter Kirkow (Geschäftsführer Kirkow Consulting GmbH & Co KG), Ernst Krehan (Wertpapiervermittler bei Prime Assets Consulting), Gerhard Marterbauer (Partner bei Deloitte Audit Witschaftsprüfung GmbH) und Sören Stöber (Director für Business Development ESG & Sustainability bei Trustcost) im Zuge der CIRA.-Jahreskonferenz 2018.

Ein Beitrag von Eva Milgotin, Studentin des Master Studiengangs Digital Business Communications (ehemals Wirtschafts- und Finanzkommunikation), zum Panel 3 „Nachhaltigkeitsforum: ESG von A-Z“ bei der CIRA-Jahreskonferenz 2018

Der Weg zur „Green-Company“ ist für viele Unternehmen mit Herausforderungen gepflastert. Die Forderung nach einem höheren Bewusstsein für Soziales und Umwelt wird seitens der externen Stakeholdergruppen immer lauter und damit auch der Druck für Unternehmen, einem – oder besser gesagt allen – sozialen Zwecken gerecht zu werden. Aber nicht nur InvestorInnen und FondmanagerInnen ziehen die Daumenschrauben an, sondern auch staatliche Preisregulierungen und verpflichtende Reportingauflagen konfrontieren UnternehmerInnen mit völlig neuen Anforderungen.

Zero. Tolerance.

Der technologische Fortschritt hat nicht nur neue Kommunikationsformen mit sich gebracht, sondern auch die Vorstellung davon maßgeblich geprägt, wie Märkte funktionieren und aussehen sollten. Vor allem junge InvestorInnen und KundInnen fordern ein klares Bekenntnis der Unternehmen zu ihrem sozialen Zweck. Angetrieben wird der öffentliche Diskurs von FondmanagernInnen, die von CEOs fordern, zu ihrem positiven Beitrag zur Gesellschaft Stellung zu beziehen. Interessant dabei ist es, dass solche Forderungen auch von passiven Fonds gestellt werden.

Es herrscht ein neues Verständnis für ökonomische und damit einhergehende soziale Ungerechtigkeit sowie eine Sensibilisierung für Umweltbelange. ESG-Investitionsstrategien erfreuen sich nicht bloß hoher Beliebtheit, sondern werden auch immer anspruchsvoller. Neue Regulierungen und Gesetzgebungen werden in Kraft gesetzt und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsprozesse und Geschäftstätigkeiten zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen. Regulierte CO2-Emissionspreise sind nicht mehr Zukunftsvision, sondern längst Teil der Unternehmensrealität und müssen entsprechend in der strategischen Planung berücksichtigt werden. Auch neue Reportingauflagen wie NaDiVeG fordern eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung.

Findet diese nicht in einem ausgeprägten Maße statt, müssen sich Unternehmen scharfer Kritik stellen und um das Vertrauensverhältnis ihrer InvestorInnen fürchten. Immer wieder wird ihnen Greenwashing und fehlende Initiative unterstellt. Aber grün sein sei trotz großer Ambitionen äußerst schwer, verteidigt zum Beispiel Ernst Krehan die in Kritik geratene Unternehmen. „Nachhaltigkeit ist differenziert und komplex“, erklärt er und warnt davor, „dass das Ganze zu einer Art Turmbau von Babel wird.“ Damit spielt er darauf an, dass Unternehmen nicht alle Belange des Umweltschutzes und der sozialen Gerechtigkeit gleichwertig gewichten und abdecken können. Versucht man in einem Gebiet seine Geschäftsprozesse nachhaltiger zu gestalten, verletzt man womöglich durch komplexe Beschaffungsprozesse andere ethische Grundsätze oder läuft Gefahr, hohe Mehrkosten zu produzieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.

„ESG-Risiken sind ganz klar finanzielle Risiken, aber es kommt natürlich immer darauf an und jedes Unternehmen muss diese Frage für sich selbst beantworten“, erläutert Sören Stöber und bringt damit den Begriff der Outside-In Betrachtung in die Debatte mit ein. Unternehmen müssten abwägen, wie sich die zukünftigen Umweltbedingungen und damit auch der Klimawandel auf ihre Geschäftstätigkeiten auswirken werden. Denn diese Betrachtungsweise sei auch für InvestorInnen und AnalystInnen ausschlaggebend in ihren Bewertungen. Hier wird auch schnell ersichtlich, dass Unternehmen je nach Branchenzugehörigkeit mit unterschiedlich hohen Anforderungen konfrontiert werden. Für Softwareentwickler werden beispielsweise weniger umfangreiche Maßnahmen notwendig sein, um Nachhaltigkeit in das Unternehmen zu integrieren. Für Ölförderer oder Logistikunternehmen ist es – eventuell allein aufgrund ihres Geschäftsmodelles – gar nicht möglich, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Unterdes bringt Unternehmensberater Gerhard Marterbauer die Gegenperspektive auf. Die verpflichtende Berichterstattung NaDiVeG fordert eine Inside-Out Betrachtung, angeführt von der Frage, wie das Unternehmen die Umwelt beeinflusst. Eine intrinsische Motivation zur Nachhaltigkeit beruft auch Ernst Krehan ein. Er ergänzt damit seine Kritik an dem viel zu breit gefassten Begriff „Nachhaltigkeit“ um die Strategieempfehlung der Priorisierung. „Das Thema Nachhaltigkeit hat natürlich den Anspruch, dass man Alles reinnehmen kann, was – ich sag‘s jetzt mal ganz salopp – die Welt verbessert. Und das sind so viele Themen, wie gesagt, es geht sich einfach nicht aus. Wir werden, wenn wir das Thema weiterbringen wollen, etwas wegschneiden müssen.“ Es gäbe, trotz aller Bemühungen um präzise Regulierungsvorschriften, immer noch kein verbindliches und einheitliches Verständnis des Begriffs. Damit geht eine große Disparität zwischen Erwartungshaltungen, gesetzlichen Vorgaben und tatsächlicher Umsetzbarkeit einher. Dies würde zu einer allgemeinen Unsicherheit seitens der Verantwortlichen beitragen und in weiterer Folge zu Vermeidungstaktiken der Unternehmen.

Die Erwartungshaltung greift auch Peter Kirkow auf und weist darauf hin, dass selbst bei Best Practice Beispielen in Sachen transparente Nachhaltigkeitsstrategie keine drastische Outperformance der Aktie zu erkennen ist. Nachhaltigkeit ist somit nicht nur inhaltlich weitläufig und umfangreich, sondern zusätzlich ein langwieriger Prozess, der auch seitens der AnlegerInnen nicht sofort mit reger Zuwendung belohnt wird.

Wenn’s nicht einfach geht, geht’s gar nicht?

Nein. „Das was erreicht wurde ist viel. Wir sind eigentlich von 0 gekommen und haben wirklich schon ein schönes Stück weggemacht“, stellt Krehan fest, pocht jedoch darauf, sich nicht auf den bis dato „kassierten low hanging fruits“ auszuruhen. Er fordert einen Ausgleich der zuvor erwähnten Disparität und einen klaren Fahrplan für die Zukunft.

Auch Herr Stöber rät, den Blick nach vorne zu richten. „Das Thema Carbon Pricing ist ein Thema, das auf der Kostenreduzierungsseite von Interesse ist und letztlich auch der Ausblick oder die Möglichkeit ist, neue Produkte zu schaffen und neue Märkte zu erschließen in einer Low Carbon Economy.“ Er hebt zwar die Bedeutung der Zukunftsanalyse klar heraus, um potentielle Risiken und Chancen zu erfassen, erwähnt aber auch, dass die bloße Analyse nicht ausreicht. Genauso wie Peter Kirkow erkennt er einen stark anwachsenden Trend in der Nachfrage nach besseren ESG-Performance Daten.

Kirkow konnte nämlich in einigen Case Studies feststellen, dass viele Unternehmen zwar ESG-Themen stärker in den Fokus ihrer Strategieplanung rücken, diese dann aber in der Umsetzung schnell wieder Finanzzielen weichen. Dem zugrunde liegt, seiner Meinung nach, die Schwierigkeit, soziale Ziele mit sinnvollen KPIs zu versehen. „Klar ist der Druck Langzeitprogramme, Langzeitstrategien auch deutlich zu artikulieren. Man muss die Aspirationen natürlich mit greifbaren und quantifizierbaren KPIs auch zusammenbringen.“

Als Spezialist in Sachen Analyse von KPIs kann auch Gerald Marterbauer nur dazu raten, darauf zu achten, seine Bemühung in Sachen Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit in messbaren Kennzahlen auszudrücken. Zusätzlich hakt er ein, dass die Berichterstattung wesentlich zur Beziehungspflege zu InvestorInnen und AnalystInnen beiträgt und daher am besten so ausführlich und vor allem verständlich wie möglich gestaltet werden sollte. „Das Ganze ist natürlich auch eine Kostenfrage. Man kann nicht sofort alles erreichen und es kommt auch auf den Umfang des Unternehmens an.“

Communication is key

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Egal wie man es dreht und wendet, am Ende sind sich alle einig, dass die Kommunikation in Sachen ESG eine tragende Rolle spielt. Dabei dürfen Nachhaltigkeitsthemen nicht getrennt behandelt, sondern als finanzielle Risiken verstanden und als integrierter Teil der Unternehmensstrategie artikuliert werden. Hierbei darf man sich aber nicht bloß auf das Reporting verlassen. Die direkte Kommunikation mit InvestorenInnen, ein offener Umgang mit schwierigen Fragen und mit Kritik wird entscheidend sein.

Der Comply-and-Explain-Ansatz soll gelebt werden, denn in Zukunft wird noch mehr Transparenz gefordert. Marterbauer erklärt, dass auch Fehlentwicklungen und Mängel kommuniziert werden müssen. „Klar Fokus auf das Positive, aber auch in den negativen Bereichen muss erklärt werden, warum man etwas weglässt, und nicht nur einfach weglassen, sondern erläutern warum man das derzeit nicht umsetzt.“

Auch der öffentliche Diskurs muss sich weiterentwickeln. Krehan spricht hier davon, dass man die High-Level-Perspektive, also den Anspruch, alles zu sehen und zu umfassen, langsam verlassen muss und sich auf die Low-Level-Ebene begeben sollte. „Das heißt, ich schau mir jetzt nicht mehr das Weltproblem an, sondern ich setzt mir ein konkretes Thema, das möchte ich umsetzen, da möchte ich was verändern. Ich konzentriere mich auf dieses Thema und das ist eigentlich der Ort wo’s passiert.“

Abschließend kann man festhalten, dass sich Nachhaltigkeit immer in einem Spannungsfeld bewegt und daher ein ständiger Balanceakt ist. Entmutigen lassen darf man sich davon jedoch nicht, denn Eines ist klar: die Zeit ist knapp und es ist noch viel zu tun.

Bildquelle: © CIRA / APA-Fotoservice / Nadine Bargad

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