Ein Denkanstoß von Monika Kovarova-Simecek anlässlich des 5. Symposiums für Wirtschafts- und Finanzkommunikation der FH St. Pölten
„Mit Hilfe der Digitalisierung könnten wir Finanzkommunikation deutlich effektiver und effizienter gestalten. Dafür müssen wir allerdings beginnen, digitale Finanzkommunikation als eine gänzlich neue Kulturtechnik zu begreifen und eine gesamtheitliche Sicht entwickeln.“
Das Symposium für Wirtschafts- und Finanzkommunikation der FH St. Pölten ist am 06.06.2019 bereits zum fünften Mal über die Bühne gegangen und stand auch heuer ganz im Zeichen der Digitalisierung. Warum digitale Geschäftsberichte? Was wünschen sich Analysten von Unternehmen? Wie funktioniert Automatisierung bei Bloomberg? Wie kann XBRL erfolgreich umgesetzt werden? Wie können Sie sich vor ungewolltem Kryptomining schützen? Wie kann gute Visualisierung von Finanzdaten ihr Verständnis verbessern? Diesen Fragen sind wir 2019 in einem Workshop, sechs Vorträgen und einer Visualisierungsvernissage mit renommierten Expertinnen und Experten der Financial Community nachgegangen und die gut besuchte Säulenhalle der Wiener Börse zeigte uns, dass wir mit dem Thema nach wie vor richtig liegen. Der Tag zeigte uns auch, dass es in allen Bereichen der Finanzkommunikation – Finanzjournalismus, Investor Relations, Financial Reporting sowie Finanzanalyse – herausragende Best Practice Beispiele gibt, aber auch noch jede Menge zu tun.
Digitale Geschäftsberichte – online first!
So gibt es zum Beispiel einige in der Tat beeindruckende digitale Geschäftsberichte (siehe Merck, Shell oder Metro). Auch so könnte – oder besser sollte (?) – Financial Reporting aussehen. Sucht man jedoch in manchen Fällen die eigens erstellten digitalen Geschäftsberichte auf der Corporate Website oder auf den sozialen Plattformen der jeweiligen Unternehmen oder versucht sie über Google zu finden, sucht man meist entweder lange oder in vielen Fällen vergebens. Das erscheint irritierend, paradox und unlogisch – und ja, das ist es auch. Die digitale Welt folgt anderen Logiken als die analoge, und das gilt es schon bei der Erstellung des Geschäftsberichts zu berücksichtigen. Die noch immer häufige Praxis, zuerst eine Print-Version zu erstellen, um aus dieser eine Online-Version zu schneidern, ist ineffizient wie ineffektiv. Sowohl der Weg zum Produkt wie auch das Produkt selbst können auf diese Weise kaum zufriedenstellend oder gar herausragend sein. Dabei geht es auch ganz anders, wie Dr. Eloy Barrantes, CEO von nexxar anschaulich demonstrierte. Die Lösung ist ganz einfach – online first! (Und dann per Mausklick die pdf Version erstellen).
Diese Erfahrungen zeigen uns, dass die Denklogiken der digitalen Finanzkommunikation noch immer nicht ganz verstanden wurden. Digitale Finanzkommunikation als Einsatz von ein paar neuen Tools zu verstehen, greift zu kurz und verunmöglicht in Wirklichkeit die Entfaltung der bereits vorhandenen Potentiale digitaler Technologien. Digitale Finanzkommunikation verlangt einen neuen Zugang. Es ist eine andere Denk-, Kommunikations- und Kulturtechnik. Und es scheint, dass die größte Herausforderung der Digitalisierung darin liegt, diese neuen Denklogiken zu verinnerlichen.
Digital communication is data-driven communication
Eine dieser Logiken – und Unterschiede zur analogen Welt – ist, dass digitale Finanzkommunikation auf Daten basiert. Das ist an sich nicht (mehr) überraschend, bedeutet aber auch, dass die Daten entsprechend aufbereitet werden müssen. Wenn Nachrichtenagenturen wie Bloomberg Informationen möglichst schnell veröffentlichen sollen, können sie es mit Hilfe von Automatisierung tun – vorausgesetzt, die Daten liegen strukturiert vor. Wenn die Finanzanalyse schnell Informationen über Unternehmen erheben und evaluieren möchte, kann sie es mit Hilfe von KI und Robotics tun – vorausgesetzt, die Daten liegen strukturiert vor. Wenn Unternehmen schnell und effizient ihre Geschäfts- und Finanzdaten an unterschiedliche Stakeholder (Behörden, Banken, Analysten etc.) kommunizieren möchten, könnten sie es tun – vorausgesetzt, die Daten liegen strukturiert vor. In dem aktuellen Diskurs wird vordergründig das thematisiert, was wir gerne hätten (Analysen) und was es möglich macht (digitale Technologien). Tendenziell wenig wird aber eine an sich nur konsequente Frage beleuchtet, nämlich was es dafür braucht. Die Antwort liegt auf der Hand – Daten. Es braucht strukturierte Daten und diese Daten muss jemand aufbereiten. Dieser Moment scheint jedoch – noch – zu (ver)stören und die Notwendigkeit, Daten entsprechend aufbereiten zu müssen, wird teilweise noch immer als eine unnötige Bürde verstanden und nicht als ein konstitutiver Bestandteil und notwendiger Schritt für einen besseren, jedenfalls digitalen, Informationsaustausch innerhalb der Financial Community.
Die Idee hinter XBRL
Diese Bestandsaufnahme sollte uns als Anstoß dienen, den Diskurs auch in diese Richtung zu lenken und den Mehrwert der Datenaufbereitung verständlich zu machen. An der Einführung von XBRL als verpflichtendes Berichtsformat für alle in der EU börsennotierte Unternehmen ab dem 1.1.2020 wird diese Notwendigkeit manifest. Dass in der Aufbereitung der Finanzdaten im XBRL-Format Unternehmen (noch) verhältnismäßig wenig Vorteile sehen, zeigt, dass die Idee hinter XBRL – obzwar im Gesetz kommuniziert – nicht gänzlich durchgedrungen ist. Die Idee ist einfach: Wenn wir möchten, dass uns Maschinen helfen, die Berichterstattung innerhalb und außerhalb von Unternehmen zu vereinfachen und zu verbessern, in dem die Daten schneller und besser zugänglich und analysierbar sind, dann müssen wir die Daten so aufbereiten, dass sie von Maschinen gelesen werden können. Einige Unternehmen – unter anderem jene, die weiter oben als Best Practice Beispiele für digitale Geschäftsberichte angeführt werden – haben dieses Prinzip bereits vor Jahren begriffen und Datenmanagement in diesem Sinne und im Bewusstsein, dass in einer data driven economy genau darin der Wettbewerbsvorteil liegt, vorangetrieben. Wir haben auch deshalb mit einem XBRL-Workshop und einen XBRL-Vortrag von Dennis Münkle (reportix) und Sabine Prodan (MDD, XBRL Schweiz) einen Akzent in diese Richtung gesetzt in der Hoffnung, diese Diskurslücke schließen zu helfen.
coineater.io
Wenn wir uns allerdings auf Digitalisierung einlassen, dürfen wir ein Thema nicht auslassen – IT-Security. Auch an dem Beispiel von Kryptowährungen wird offenbart, dass wir uns bei neuen, durch Digitalisierung geschaffenen Konzepten wie jenem der Kryptowährungen, lieber mit den Potentialen als mit möglichen negativen Folgen oder den notwendigen Begleitmaßnahmen beschäftigen. Oder wussten Sie, dass auf Ihrem Rechner nicht nur Sie selbst Kryptowährungen erzeugen können, sondern es auch andere tun können, wenn Sie im Web surfen – natürlich ohne Sie um Ihr Einverständnis zu fragen? Mit dem Vortrag von Dr. Sebastian Schrittwieser vom Department Informatik & Security der FH St. Pölten haben wir die unerwünschten Aspekte von Kryptomining und damit auch die Frage der IT-Security in den Fokus der Diskussion gerückt. Ungewolltes Kryptomining (Cryptojacking) betrifft uns alle, grundsätzlich kann jeder PC zur „Goldgrube“ werden. Unter den Kryptominern herrscht in der Tat Goldgräberstimmung. Umso mehr stellt sich die Frage, können wir uns vor ungewollten Angriffen dieser Art schützen? Die FH St. Pölten hat mit „CoinEater“ der Open-Source-Software entwickelt, die vor ungewollten Kryptomining-Angriffen schützt (Näheres unter Schutz vor digitalen Goldgräbern). coineater.io ist gratis als Add-on für Firefox und Chrome erhältlich und empfehlenswert. Der Vortrag von Sebastian Schrittwieser hat aber auch gezeigt, dass IT-Themen auch für nicht ausgewiesene IT-Experten und -Expertinnen verständlich erklärt werden können und es sich lohnt, sich mehr mit dieser Materie auseinanderzusetzen. Denn wer IT-Security nicht ernst nimmt und sich dabei auf andere verlässt, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern eben auch die anderen.
Vertrauenssache!
Vertrauen schaffen in der digitalen Welt aber nicht nur Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch ein gutes Web-Design. Das ist nicht irrelevant, denn Besucherinnen und Besucher von Websites schließen von der Website eines Unternehmens auf seine Performance. Dahinter steckt der aus der Sozialpsychologie stammende Halo-Effekt. Dieser erschließt sich darin, dass Menschen dazu tendieren, einen Zusammenhang zwischen zwei an sich unabhängigen Phänomenen herzustellen und von einem Phänomen auf das andere zu schließen – wie zum Beispiel von einer toll designten Website, welche sich der neuesten Features bedient, auf das Innovationspotential des Unternehmens (auch wenn man sich dabei irren kann). Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass ein Unternehmen mit einer Corporate Website in der Optik der 1990er-Jahre es eher schwer haben wird, die Stakeholder von seinem Zukunftspotential zu überzeugen (wobei man sich auch hier wiederum irren kann). Die Corporate Website ist aber oft der erste Berührungspunkt zwischen Anlegern und Unternehmen. Die Website erzeugt unweigerlich einen (ersten) Eindruck, weckt Neugierde oder erzeugt Desinteresse. Das ist aus der Perspektive der Investor Relations ein interessanter und nicht zu unterschätzender Aspekt in der Kommunikation zu potentiellen Anlegern und wirft eine zweite Frage auf: Was gilt in der Online-Kommunikation als innovativ und was als veraltet? Die Antwort: Das kommt auf den einzelnen – oder besser – auf die Generation der Anlegerinnen und Anleger an (was es IR-Abteilungen in der Tat nicht einfacher macht). Sind die einen (die Älteren) mit pdf-Geschäftsberichten glücklich, empfinden die anderen (die Millennials) pdf als mühsam und benutzerunfreundlich, jedenfalls aber nicht als innovativ. Das ist durchaus verständlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das Portable Document Format (pdf) mit seinen 26 Jahren deutlich älter ist als die 2000er-Generation. Sie sind mit pdf groß geworden, so wie wir mit einem Taschenrechner groß geworden sind. Dass wir einen Taschenrechner nicht als innovativ empfinden, mag wenig überraschen.
Wenn Sie sehen möchten, wie es um die Websites österreichischer börsennotierter Unternehmen beschaffen ist, dann werfen Sie doch einen Blick auf unsere Studie. Diese können Sie gemeinsam mit allen anderen Vorträgen des 5. Symposiums für Wirtschafts- und Finanzkommunikation und Projekten der Visualisierungsvernissage hier nachlesen oder downloaden.
Bildquelle: © Felipe Kolm