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Finanzentscheidungen zu treffen, stellt für viele eine zunehmende Herausforderung dar. Die Anzahl, aber auch die Vielfalt und die Komplexität der Finanzinstrumente sind in den letzten Jahren spürbar gestiegen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Finanzen wäre jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen essenziell. Die Niedrigzinspolitik und die langfristig relevante Frage der Pensionsvorsorge sind wohl die aktuell dringendsten Beweggründe, diese Auseinandersetzung aufzunehmen.

Ein Beitrag von Monika Kovarova-Simecek

Um Finanzentscheidungen treffen zu können, braucht es zuallererst adäquate und zuverlässige Information. Aber was ist im Zeitalter der Informationsflut adäquat und zuverlässig, insbesondere wenn es um so wichtige Entscheidungen geht, wie die Absicherung der Lebensgrundlage? Das Spektrum der Informationsquellen ist groß. Sie reicht vom nähersten sozialen Umfeld über Bankberatern, Zeitungen und Fachzeitschriften bis hin zu internetbasierten Formaten wie Finanzwebsites, Blogs, YouTube-Tutorials oder Trading Plattformen.

Diese Quellen zu selektieren, zu verstehen und in dem eigenen Kontext zu interpretieren, erfordert unter anderem hohe Finanzkompetenz – auch Financial Literacy genannt. Studien zeigen, dass das Niveau der Financial Literacy länderspezifisch sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, ebenso wie das Investitionsverhalten (Kovarova-Simecek & Aubram, 2018; Lusardi & Mitchell, 2011; Alessie, van Rooij, & Lusardi, 2011). Während die Schweiz beim Nettofinanzvermögen pro Kopf (alle Geldersparnisse wie Bareinlagen, Wertpapiere, Versicherungen und Pensionsvorsorge abzüglich Schulden) mit rund 170.000 EUR global führend ist, haben andere Länder, darunter auch Österreich, Probleme, ein Drittel dieses Wertes zu erreichen (Allianz, 2016).

Wie können diese Unterschiede erklärt werden? Wang (2013) sieht die Erklärung in der Finanzkommunikation. Demnach wird das Finanzverhalten vorwiegend durch die Finanzkommunikation beeinflusst. Gemeint ist damit jede Art der Kommunikation, die Finanzinhalte vermittelt (S. 1).  Das Verarbeiten von Finanzinhalten ist wiederum durch drei Faktoren determiniert: (1) die Informationsquelle (z.B. Medien), (2) die Fähigkeit, diese zu entschlüsseln (Financial Literacy) und (3) die persönliche Motivation.  Konkret würde es bedeuten, dass Menschen in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Informations- und Kommunikationsmuster zeigen, wenn es um Finanzthemen geht, oder dass manche Faktoren das Interesse in Finanznachrichten begünstigen, während andere ein Hemmnis darstellen, oder dass Menschen unterschiedliche Motive haben, financial news zu rezipieren.

Basierend auf einer erweiterten Version dieses Modells haben wir in einer 2016 durchgeführten Studie das Informationsverhalten sowie das Interesse in Finanznachrichten von österreichischen Erwerbstätigen näher beleuchtet und im Hinblick auf mögliche Einflussfaktoren analysiert. Die Ergebnisse gewähren interessante Einblicke in die Rezeption von Finanznachrichten und ihre Rahmenbedingungen:

  • Die wichtigste Informationsquelle ist das nahe soziale Umfeld. Wenn es um Geld- und Finanzfragen geht, wendet man sich an Freunde und/oder Verwandte. Das ist ein weit verbreitetes, länderübergreifendes Phänomen, das zeigt: Geld ist Vertrauenssache.
  • Viel Vertrauen wird – im Unterschied zu anderen Ländern – auch Bankberatern entgegengebracht. Allerdings bleibt unklar, ob die Ratschläge der Bankberater auch tatsächlich befolgt werden.
  • Internetbasierte Formate und Fachmagazine sind die wichtigsten Medien und bei Finanzfragen offenbar deutlich relevanter als TV oder Radio.
  • Werbung wiederum spielt bei Finanzfragen de facto gar keine Rolle.

Die Priorisierung spezifischer Informationsquellen hängt mit dem Level der Financial Literacy zusammen. Je niedriger das Finanzwissen, umso relevanter werden Peers (Freunde und Verwandte) sowie Bankberater. Das Internet und Fachmagazine sind vor allem für jene von Bedeutung, die ihr Finanzwissen als hoch einschätzen. Dass ist insofern problematisch, als dass die Einschätzung des eigenen Finanzwissens nicht immer dem faktischen Wissen entspricht. Es zeigt sich, dass insbesondere Männer dazu neigen, ihr Wissen zu überschätzen.

Dabei ist das Interesse in mediale Finanzberichterstattung unterschiedlich ausgeprägt. Rund zwei Drittel (64%) der Befragten geben an, sich für Finanznachrichten kaum oder gar nicht zu interessieren. Dieser Befund wirft zwei Fragen auf: (1) welche Faktoren fördern ein höheres Interesse an Finanznachrichten und (2) was könnte Individuen zu einer stärkeren Rezeption von Finanznachrichten motivieren?

  • Am stärksten beeinflusst die Kapitalmarktbeteiligung das Interesse in Finanznachrichten.
  • Eine höhere Financial Literacy führt ebenfalls zu einem höheren Interesse in financial news, allerdings zeigt die Selbsteinschätzung einen stärkeren Effekt als das faktische Finanzwissen.
  • Weniger überraschend: Tätigkeit im Finanzbereich geht mit einem höheren Interesse einher.
  • Das Alter und das Geschlecht wirken ebenso auf das Interesse, wobei bei jüngeren und männlichen Probanden höheres Interesse in Finanznachrichten vorausgesagt werden kann als bei älteren Personen oder Frauen.

Als stärkste Motivatoren wurden mehr Geld für Investitionen (75%), mehr Zeit für die Auseinandersetzung mit Finanzthemen (53%) sowie mehr Finanzwissen (37%) angegeben. Dass eine bessere Verfügbarkeit (10%) oder mehr Finanznachrichten (5%) das Interesse in Finanznachrichten fördern könnten, bestätigen die Ergebnisse nur zu einem geringen Ausmaß.

Für die Produzenten von Finanzcontent (Medien, Unternehmen, Kapitalmärkte, Banken, Analysten, Finanzberater, Blogger etc.) bedeuten die Befunde vor allem eines: Sie haben es mit einem stark heterogenem Publikum zu tun, das – um erreicht zu werden – zielgruppenorientiert angesprochen werden muss. Die aktuellen technologischen Möglichkeiten (Robot Journalism, AI, Machine Learning, Crowd-Intelligence, XBRL) sollten daher vernünftig eingesetzt werden, um gezielte Kommunikation sicherzustellen. Möglich wäre es.

Weiterführende Quellen:

Die Studie Financial Literacy, Investment Behavior, and Interest in Financial News wurde am 15. Juni 2018 beim Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik (SSES) an der Universität St. Gallen präsentiert. Die Präsentation können Sie hier downloaden.

Das Paper kann unter diesem Link nachgelesen werden: Kovarova-Simecek, M., & Aubram, T. (2018). Financial Literacy, Information Behavior, and Interest in Financial News in Austria. SSRN Electronic Journal. https://doi.org/10.2139/ssrn.3156961

Monika Kovarova-Simecek im Podcast über das Informationsverhalten von Aktionär*in Österreich: https://www.brn-ag.de/32306-Boersenradio-Aktionaere-in-Oesterreich-Wie-und-wo-sie-sich-informieren-wie-viel-Finanzwissen-ist-wichtig

Angeführte Quellen:

Alessie, R., van Rooij, M., & Lusardi, A. (2011). Financial literacy and retirement preparation in the Netherlands. Journal of Pension Economics and Finance, 10(4), 527–545. https://doi.org/10.1017/S1474747211000461
Allianz. (2016). Allianz Global Wealth Report 2016. Abgerufen von https://www.allianz.com/v_1474281539000/media/economic_research/publications/specials/de/AGWR2016d.pdf
Kovarova-Simecek, M., & Aubram, T. (2018). Financial Literacy, Information Behavior, and Interest in Financial News in Austria. SSRN Electronic Journal. https://doi.org/10.2139/ssrn.3156961
Lusardi, A., & Mitchell, O. S. (2011). Financial Literacy around the World: An Overview (Working Paper No. 17107). National Bureau of Economic Research. Abgerufen von http://www.nber.org/papers/w17107
Wang, S.-L. A. (2013). Financial Communications: Information Processing, Media Integration, and Ethical Considerations. Palgrave Macmillan.

Bildquelle: © Monika Kovarova-Simecek

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