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Felix Amelung von der Lenzing AG, Investor Relations Specialist im Gespräch mit Anna Mühlburger und Vincent Plot vom Master-Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten. 

Felix, Du hast, bevor du nach Linz gezogen bist, in Berlin gelebt und dort im Bereich Sales Management gearbeitet. Was hat dich dazu inspiriert von Berlin nach Linz zu gehen? Wie bist du hier bei Lenzing AG in der Welt der Investor Relations gelandet?

In Berlin hatte ich die Gelegenheit, ein sehr nachhaltiges Startup zu begleiten. Für mich war das eine großartige Erfahrung, um zu sehen, wie man einen Impact im Bereich der Nachhaltigkeit schaffen kann. Auf die Lenzing AG wurde ich schon während meiner Studienzeit aufmerksam. Wir waren für Lenzing AG in einem Team beratend tätig. Dadurch kannte ich schon das Geschäftsmodell der Lenzing AG und wollte hier auch gerne meinen Beitrag leisten.

Bei Lenzing AG wurde dann eine Stelle im Bereich Investor Relations frei. Mein BWL-Studium und der spätere Master mit Fokus auf Makroökonomie und Wirtschaftsethik haben gut zu dieser Stelle gepasst. Mir war hier schon klar, dass neben den Finanzkennzahlen auch die Nachhaltigkeitskennzahlen für ein Unternehmen wie Lenzing AG in Zukunft immer wichtiger werden und dies für mich auch eine gute Lernerfahrung sein wird.

Hattest Du vor Deinem Job bei Lenzing AG schon einmal während des Studiums oder beruflich mit Investor Relations zu tun oder war es für Dich ein komplett neues Feld?

Die IR entscheidet, welche Informationen nach außen, an die Öffentlichkeit gehen. Dafür braucht die IR aber interne Informationen. Ein*e IR-Manager*in muss sich ein sehr starkes Netzwerk innerhalb des Unternehmens aufbauen, um sich von den verschiedenen Abteilungen die richtigen Informationen besorgen zu können. Dafür habe ich schon an verschiedenen Stellen Erfahrung gesammelt, aber nicht in der kompletten Bandbreite. Hier waren auch einige Dinge dabei, die für mich neu waren. Ich habe mich aber durchaus in der Lage gesehen, so ein Netzwerk aufzubauen und nach außen zu kommunizieren.

Investor Relations bespielt nicht nur, aber vor allem die Financial Community. Wo hast Du Deine Kapitalmarkt-Expertise aufgebaut? Wie wichtig ist Kapitalmarktwissen in der IR?

Gerade am Anfang habe ich bei etwas anspruchsvolleren Themen Trainings bekommen. Zusätzlich hatte ich die Gelegenheit beim Cercle of Investor Relations Austria mein Wissen zu Finanzmarktthemen aufzufrischen und mir einen Überblick zu verschaffen. Eine der größten Sorgen, die ich am Anfang hatte, war, dass ich viel mit Zahlen zu tun haben werde. Tatsächlich ist dies, solange der Markt nicht verrücktspielt, kaum der Fall. Im normalen Geschäft spielt das Geschäftsmodell eine weitaus wichtigere Rolle. Gerade neue Investor*innen oder mögliche Investor*innen interessiert es mehr, ob das Geschäftsmodell bereit für die Zukunft ist.

Nachhaltigkeit spielt bei Lenzing AG eine wichtige Rolle. Wie wichtig ist Nachhaltigkeit in der Investor Relations? Herrscht hier ein hohes Maß an Informationsbedarf seitens der Investor*innen?

Das kommt auf die Aktionär*innen an. In Österreich halten Investor*innen und Aktionär*innen die Aktie oft, weil sie eine Verbindung zur heimischen Wirtschaft haben. Bei manchen Shareholder*innen spielt Nachhaltigkeit oft noch eine eher untergeordnete Rolle. Es gibt allerdings auch einige Impactinvestor*innen, die ein sehr hohes Maß an Wissen über Nachhaltigkeit haben. Hier kommt es oft zu Diskussionen oder zum Informationsaustausch, wo auch unser Head of Sustainability mit dabei ist. Dass Investor*innen keine Nachhaltigkeitsfragen stellen, kommt nur selten vor. Gerade in dem letzten Jahr hat die Nachfrage nach Nachhaltigkeitsthemen sehr stark zugenommen.

Du bist bei Lenzing AG als Koordinator für ESG-Ratings verantwortlich. Glaubst du, wird Deine Arbeit durch die Einführung der CSRD erleichtert?

Hier ist es wichtig zu unterscheiden, wer im Unternehmen den Geschäftsbericht schreibt. Bei Lenzing ist der Geschäftsbericht nicht bei Investor Relations angesiedelt. Nichtsdestotrotz wirken wir an gewissen stellen im Reporting mit und sind hier auch oft für die Informationsbeschaffung zu Finanzmarkt-relevanten Themen und Nachhaltigkeits-Rankings verantwortlich.

Ich denke schon, dass die CSRD die Arbeit erleichtern wird. Gerade für Investor*innen wird es leichter sein zu erkennen, welchen Einfluss ein Investment nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch für Mensch und Umwelt hat. Ein weiterer Vorteil, den die Standardisierung für die Investor Relations bringt, ist, dass wir weniger mit der Informationsbeschaffung beschäftigt sein werden und wir mehr über die konkreten Informationen sprechen können.

Neben Nachhaltigkeit ist ein weiteres wichtiges Thema in der IR die digitale Transformation. Wie geht die Lenzing AG mit dem digitalen Wandel um? Wie sieht die digitale Strategie der IR derzeit aus? Siehst du hier noch Weiterentwicklungspotenzial?

Wir haben im Unternehmen Digitalisierungsexpert*innen, die uns bei Digitalisierungsprojekten unterstützen. Die Investor Relations hinkt hier gefühlsmäßig etwas hinterher. Artificial Itelligence wird teilweise eingesetzt, jedoch noch sehr rudimentär. Ich habe viele Sachen getestet, die Arbeit hat es bisher jedoch selten erleichtert. Wir nutzen hauptsächlich Programme, um Daten zu sammeln und diese sinnvoll zu verarbeiten und zu analysieren.

Die Inhouse Analysen machen den Job unter anderem auch spannend, weil man die eigene Arbeit ein Stück weit messbar machen kann. Außerdem ermöglicht es uns, gezieltes Targeting einzusetzen und neue Investor*innen gemäß ihrer Investitionsinteressen anzusprechen. Im Bereich der digitalen Kommunikation kann man jedoch noch einiges mehr machen. Das ist jedoch eine Zeitfrage und oft auch eine Stil-,Risiko- und Budget-Frage.

Beim Stichwort Digitalisierung darf Social Media nicht fehlen. Wie sieht die Rolle von Social Media in der IR derzeit bei Lenzing AG aus?

Für österreichische Unternehmen ist das Thema Social Media im Bereich der Investor Relations noch relativ neu. Bereiche wie Unternehmenskommunikation sowie Marketing oder Branding haben im Vergleich dazu viel häufiger etablierte Social Media Kanäle. Hier sollte sich jedes Unternehmen die Frage stellen, ob es sinnvoller ist, einen eigenen Investor Relations Kanal zu kreieren, oder die Inhalte in bereits bestehende Kanäle einzupflegen. Die Lenzing AG nutzt bereits etablierte Kanäle. Hier geht es für mich vor allem um Professionalität. Ich rate stark davon ab, sich ohne Social Media Erfahrung und professionellem Plan in der sozialen Welt auszuprobieren. Ich bin jedoch der Meinung, dass ein eigener Investor Relations Channel durchaus eine große Wirkung haben kann, da die Themen doch deutlich anders sind als die der gängigen Marketing Kanäle. Man sollte dabei viel mehr erklären und auch andere Zielgruppen erreichen.

Worin würdest Du das Potenzial eines eigenen IR-Channels für Lenzing AG sehen?

Wir stellen Fasern für die globale Textil- und Hygieneprodukte-Industrie her, mit der quasi jede Person in gewisser Art und Weise in Kontakt kommt. Das Unternehmen steht jedoch selten auf einem Produkt, sondern eigentlich immer die Markennamen. Hier ist also durchaus noch Potential Lenzing AG weiterzuverbreiten. Wichtig ist für uns zu zeigen, dass die Marken mit dem Unternehmen Lenzing AG in unmittelbarer Verbindung stehen um zu zeigen, dass Investor*innen tatsächlich Teil dieser Geschichte werden können. Nicht nur, indem man die Produkte als Kleidung trägt, sondern auch, indem man sie finanziell unterstützt und auf breitere Beine stellt. Somit können noch mehr unserer Fasern auf den Markt gebracht werden bzw. die Kreislaufwirtschaft schneller angekurbelt werden.

Nun ist es jedoch schwierig zu wissen, wer tatsächliches Interesse daran hat, eine Aktie zu halten oder zu kaufen. Es gibt zahlreiche Informationen von institutionellen Investor*innen, jedoch nicht von Einzelpersonen und deren Verhalten. Hier sehe ich noch Potenzial um fundierte Informationen zu gewinnen. Die Schwierigkeit ist aber auch hier die Messbarkeit.

Man kann dich als IR-Talent und Investor Relations Specialist der „Next Generation“ bezeichnen. Wie wichtig sind für die Lenzing AG jüngere Generationen als Investor*innen, sprich die Generation Y und Z sowie auch schon potenziell nachfolgende Generationen?

Man muss ehrlich sagen, dass jüngere Generationen in vielen Unternehmen stark unterrepräsentiert sind, wenn man von Praktikant*innen oder Berufseinsteiger*innen absieht. Wenn Unternehmen jedoch fit für die Zukunft sein möchten, müssen sie auch darauf achten, wer die Zukunft ist. Wir versuchen hier neue Wege zu finden, um mit der „Next Generation“ in Dialog zu treten. Die Finanzwelt scheint noch relativ traditionell zu sein und deshalb wird die Bedeutung von jüngeren Investor*innen etwas gebremst. Meiner Meinung nach ist es Aufgabe eines Unternehmens, an junge Leute zu kommunizieren. Die Lenzing AG entwickelt zurzeit Strategien, um hier in Investor Relations noch stärker auf jüngere Generationen einzugehen.

Worin siehst Du den größten Hebel der IR? Woraus schöpfst du Inspiration für deine IR-Arbeit?

Meine ursprüngliche Motivation für die Arbeit in der IR war, dass ich Finanzkraft als einen sehr starken Hebel empfinde, um Veränderungen voranzubringen. Es ist gut zu sehen, dass sich auch Investor*innen Sorgen um die Zukunft machen. Dies ist vor allem an Investor*innen zu erkennen, die unsere Aktien nicht nur kurzfristig, sondern über einen längeren Zeitraum halten oder darauf spekulieren, wie die Welt 2030 aussieht. Bei diesem Blick in die Zukunft kann man eine steigende Relevanz der Lenzing AG in der Kreislaufwirtschaft feststellen.


Es ist in der Finanzwelt dennoch schwer zu messen, wie groß der Erfolg bzw. Impact ist. Für mich persönlich zählt als Erfolg, wenn ich Gespräche über Impact führen kann, beispielsweise zum Thema Biodiversität. Meine Motivation ist es, die Finanzwelt in dieser ersten Phase im Kontakt mit Nachhaltigkeitsthemen zu leiten. Besonders wichtig ist, dass die richtigen Fragen im Sinne der Nachhaltigkeit gestellt werden. Es gibt mir ein sehr gutes Gefühl, die Debatte in diesen Themen weiterzuentwickeln.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Studiums des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten, mit den Schwerpunkten Corporate & Sustainability Communications, Investor Relations und Digital Reporting. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.


Bildquelle: © Thomas Grabner

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