Nastassja Cernko (Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Österreichischen Kontrollbank) im Gespräch mit Monika Kovarova-Simecek (Studiengangsleiterin des Master-Studiengangs Digital Business Communications):
Banken und Nachhaltigkeit?
Sie sind als Sustainability Managerin der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) für die Nachhaltigkeit in einer Spezialbank zuständig. Was macht eine Bank zu einer nachhaltigen Bank?
In der OeKB verstehen wir Nachhaltigkeit als ganzheitliches Konzept. In unserer Nachhaltigkeitsstrategie setzten wir uns daher Ziele in den Bereichen Wirtschaft, Innovation, Mitarbeitende, Umwelt und Gesellschaft.
Die ständige Bereitschaft sich mit globalen und lokalen Herausforderungen und Zusammenhängen auseinanderzusetzen, ist für uns essentiell. Denn nur so können wir sicherstellen, dass sich unsere wirtschaftlichen Aktivitäten positiv auf die Ökonomie, die Umwelt und Gesellschaft auswirken.
Eine Bank ist dann nachhaltig, wenn sie ständig bereit ist ihre Geschäftsmodelle, Dienstleistungen und Prozesse weiterzuentwickeln und zwar mit dem steten Bewusstsein ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Green Finance
Grundsätzlich können österreichische Banken auf solide ESG-Ratings verweisen. Gleichzeitig sagen Studien², dass es in Österreich eine echte nachhaltige Bank noch nicht gibt.1 Das klingt nach ‚viel Luft nach oben‘. Wo steht die österreichische Bankenlandschaft im internationalen Vergleich und wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Österreichische Banken setzen schon seit vielen Jahren umfangreiche CSR-Aktivitäten. Diese reichen von der Einführung von zertifizierten Umweltmanagementsystemen, über ein umfassendes Stakeholdermanagement und Berichtswesen bis hin zum Angebot nachhaltiger Finanzprodukte.
Wir haben in Österreich also eine solide Basis, die es ermöglicht, dass Nachhaltigkeit von der Nische zum Mainstream wird. Persönlich sehe ich da eine große Bereitschaft in der österreichischen Finanzwirtschaft.
Sie schreiben in ihrem Nachhaltigkeitsbericht, dass die OeKB das Kerngeschäft durch innovative “Green Finance”-Produkte weiter stärken will. Wodurch zeichnen sich “Green Finance”-Produkte aus? Woran wird ihr „Green“-Charakter festgemacht?
Wir verwenden lieber den Begriff „Sustainable Finance“, da dieser alle Komponenten der Nachhaltigkeit hervorhebt. Es geht darum, durch Finanzprodukte positive wirtschaftliche, aber auch ökologische und soziale Auswirkungen zu erzielen.
Mit „ESG (Environmental, Social, Governance)“- Produkten sollen Investments, die wir für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie der Klimakrise benötigen, sichergestellt werden.
Die OeKB hat im Oktober 2019 einen Sustainability Bond emittiert. Die Anleihe wurde gut aufgenommen und durch Sustainalytics auch sehr positiv bewertet. Was bedeutet eine nachhaltige Anleihe ganz konkret? Was macht den Erfolg dieses Produktes aus?
Für Klima- und Umweltschutz und die Lösung sozialer Probleme braucht es finanzielle Mittel. In der OeKB können wir einen Beitrag dazu leisten, indem wir Finanzierungsmittel über nachhaltige Anleihen zur Verfügung stellen. Bei nachhaltigen Anleihen darf das am Kapitalmarkt aufgenommene Geld nur nachhaltigen Projekten zur Verfügung gestellt werden. Das ist für mich ein wesentlicher Faktor für den Erfolg dieses Produkts.
Wir haben im Oktober 2019 unsere erste Nachhaltigkeitsanleihe mit 500 Mio. Euro auf den Markt gebracht. Sie war deutlich überzeichnet – die Nachfrage ist also groß. Dieses Kapital wird zu 70 Prozent zur (Re-)Finanzierung von Sozialprojekten und zu 30 Prozent zur (Re-)Finanzierung von Umweltprojekten verwendet.
Transparenz, Reporting und Diskurs
Wie nachvollziehbar ist das für die Öffentlichkeit?
Im Juli 2020 haben wir den Sustainability Bond Report auf unserer Website veröffentlicht. Dieser zeigt auf, wie viele der Mittel bereits alloziert wurde und welchen Impact wir damit erzielen konnten. Das ist für mich auch ein wesentlicher Grund für den Erfolg dieses Produkts: das transparente Reporting.
Unternehmen müssen sich immer mehr auch der Kritik stellen, „green“ sei nur ein Label, eine Marketing-Strategie, die aktuelle Kund*innenbedürfnisse bedient. Wer entscheidet, ob ein Finanzprodukt ‚green‘ ist? Was sind die Sicherungsmechanismen dahinter?
Wenn Nachhaltigkeit als Such- und Lernprozess verstanden wird, werden die zugrunde gelegten Kriterien auch zukünftig immer wieder diskutiert werden. Die Europäischen Kommission versucht durch ein EU-weites Klassifikationssystem für nachhaltige Investments, die sogenannte Taxonomie, zu definieren, welche Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig sind. Auch dieser Prozess wird von Diskussionen begleitet bleiben.
Um nachhaltige Anleihen begeben zu können, haben wir in der OeKB ein sogenanntes „Sustainable Financing Framework“ erarbeitet. In diesem haben wir ganz genaue Kriterien definiert, welche Finanzierungen für eine nachhaltige Anleihe der OeKB verwendet werden dürfen. Wir haben dieses Framework auch extern überprüfen lassen.
Frameworks & Konsens
An welchen Sustainability Frameworks orientiert sich die OeKB?
Als privates Unternehmen mit staatlichem Auftrag haben wir eine Vorbildfunktion. Im Auftrag des Bundes wickeln wir Exportgarantien ab und haben die Verpflichtung, bei allen Geschäften neben den ökonomischen auch die ökologischen und sozialen Konsequenzen zu prüfen um auf potentielle negative Auswirkungen zu reagieren und positive, wenn möglich, zu verstärken.
Sichergestellt wird dies im Rahmen von Umwelt- und Sozialprüfungen, die auf internationalen Standards beruhen und die Sustainable Development Goals (SDGs) miteinbeziehen.
Unser Umwelt- und Sozialprüfverfahren orientiert sich an nationalen und internationalen Standards. Beispiele sind die OECD Common Approaches, die Nachhaltigkeitspolicy des BMF, oder den World Bank EHS-Guidelines (Environment, Health, Safety) – um nur eine Auswahl zu nennen.
Das „Sustainable Financing Framework“ folgt den „Green Bond Principles“, den „Social Bond Principles“ und den „Sustainability Bond Guidelines“ der ICMA (International Capital Market Association).
Die Rolle der Investor*innen
Welche Rolle schreiben Sie den Investor*innen zu? Gehören die Investoren Ihrer Erfahrung nach zu den Treibern der Nachhaltigkeitsinitiative oder müssen sie erst von den Vorteilen nachhaltiger Investments überzeugt werden?
Der Anstieg der Nachfrage nach „nachhaltigen Investments“ in den letzten Jahren hat die Entwicklung qualitätsvoller Nachhaltigkeitsinitiativen beschleunigt. Ein weiterer Faktor ist die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen. Ich rechne damit, dass nachhaltige Investments in Zukunft noch wichtiger werden.
Beruf & Familie
Wir haben bislang vor allem über das Nachhaltigkeitsverständnis der OeKB nach außen gesprochen. Wie kann eine Bank aber auch nach innen nachhaltig wirken?
Unser ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit wirkt genauso nach innen. Die Beschäftigung damit seit nunmehr schon Jahrzehnten – allein seit 2001 sind wir ein EMAS-begutachtetes Unternehmen mit jährlichen Zielsetzungen und einer Nachhaltigkeitsberichterstattung – prägt auch unsere Mitarbeitenden.
Es gibt in der OeKB generell sehr viel Know-how zu diesem Thema. Zusätzlich ist die OeKB seit 2006 Audit berufundfamilie zertifiziert. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der Mitarbeitende einbezieht und dabei unterstützt, die Arbeitswelt und -kultur stetig weiterzuentwickeln.
Finanzierung ist ein Hebel nachhaltigen Wirtschaftens
Wo sehen Sie das größte Wirkungspotential der OeKB?
Durch unsere vielfältigen Services haben wir eine große Bedeutung für die österreichische Wirtschaft. Unser Gesamtziel ist, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Damit werden Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen. So sichern wir auch den Wohlstand in Österreich.
Darüber hinaus tragen unsere Projekte im Bereich Entwicklungsfinanzierung in Entwicklungs- und Schwellenländer dazu bei dort Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen zu schaffen.
Neben der wirtschaftlichen Prüfung ist die bereits erwähnte Umwelt- und Sozialprüfung eine Stärke der OeKB.
Verstärkt der Markt das Potenzial?
Wir sehen, dass die Nachfrage nach Sustainable-Finance-Produkten seitens der Unternehmen stark gestiegen ist. Daher haben wir mit dem Bundesministerium für Finanzen ein Finanzierungsprodukt für nachhaltige Inlandsinvestitionen heimischer Exporteur*innen, die Exportinvest Green, entwickelt. Denn eine Umfrage, die wir bei unseren Exportkund*innen durchgeführt haben, ergibt, dass Nachhaltigkeit zu einem kritischen Erfolgsfaktor geworden ist. Jede*r zweite Befragte gab an, dass für ihr*sein Unternehmen nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten wichtig sind, um klimafreundliche Investitionen tätigen zu können.
Bei der Investitionsplanung für die nächsten drei Jahre stand Nachhaltigkeit bis zur Corona-Krise bei allen befragten Unternehmen im Fokus.
Was ist Ihr persönliches Erfolgsrezept für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft?
Ich bin der Überzeugung, dass eine Transformation der Wirtschaft und nachhaltiges Agieren in der Gesellschaft nicht allein erreicht werden kann, sondern dass wir gemeinsam Lösungen finden müssen. Diese Haltung ist auch Grundlage des Engagements der OeKB für eine nachhaltige Entwicklung.
1 https://www.rfu.at/wp-content/uploads/2017/03/Bankenvergleich_rfu-3-2017_1.pdf (Zugriff am 22.7.2020)
2 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190704_OTS0056/wwf-bankenrating-2019-schlechtes-zeugnis-fuer-oesterreichs-banken-bei-nachhaltigkeit-und-klimaschutz (Zugriff am 22.7.2020)
Bildquelle: © OeKB / Häusler