Sabine Schellander (Group Sustainability Manager bei SEMPERIT AG Holding) im Gespräch mit Studentin Eva Milgotin:
Seit deinem Boku-Studium hast du dich der Nachhaltigkeit verschrieben. Warum diese große Leidenschaft für den Grünen Zweck?
Ich denke die „große Leidenschaft“ ist langsam gewachsen und hat sich Schritt für Schritt im Zuge meiner Karriere erst entwickelt. Ich bin vor 25 Jahren auf die BOKU gegangen, da man mir damals erklärt hat, die Zukunft liegt in der Nachhaltigkeit, habe aber nach der Uni zuerst im Bereich Kommunikation und Marketing gearbeitet.
Erst nach der Geburt meiner Tochter und vielen Gesprächen mit meiner damaligen Chefin habe ich erkannt, dass sich das Thema Nachhaltigkeit perfekt mit meiner bisherigen Berufserfahrung vereinen lässt.
Das Wichtige ist aber, dass die Leidenschaft noch immer wächst. Je mehr ich erlebe und lerne und je mehr ich hinter die Kulissen sehe, umso mehr Ehrgeiz entwickle ich, das Thema voranzutreiben.
Die verpflichtende Nicht-finanzielle-Berichterstattung scheint ein wichtiger Schritt in eine nachhaltigere Zukunft zu sein. Denkst du dies alleine reicht aus um unsere Ziele bis 2030 zu erreichen?
Nein definitiv nicht. Da gehört noch so viel mehr dazu und auch gemacht, um überhaupt eine Chance zu haben, die SDGs (Sustainable Development Goals) zu erreichen.
Ich muss auch gestehen, dass ich eine sehr gespaltene Meinung zum Thema Nicht-finanzielle Berichterstattung habe: Einerseits ist sie enorm wichtig, da sie Unternehmen überhaupt erst dazu bringt, sich mit Themen rund um die Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite, nimmt einem die oft sehr aufwendige Berichterstattung nicht nur die Zeit, sondern oft auch die Motivation „echte Projekte“ firmenintern voranzutreiben.
Man braucht als Nachhaltigkeitsmanager*in einen sehr langen Atem und viel Durchhaltevermögen, möchte man alle (gesetzlichen) Anforderungen erfüllen, aber auch sein Thema mit Herz vorantreiben.
Unternehmen müssen diese Erklärung seit 2017 abgeben. Was ist Deine Beobachtung? Wie geht es Unternehmen mit der Aufgabe, über ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit berichten zu müssen.
Ich denke, da gibt es keine allgemein gültige „Beobachtung“, da die Wirkung der NaDiVeG-Richtlinie von Unternehmen zu Unternehmen verschieden war und noch immer ist. So wurden bspw. Unternehmen, die sich noch nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben, dazu gezwungen, dies endlich zu tun.
Unternehmen aber, die bereits aktiv waren, haben sich entweder entsprechend der Richtlinie ausgerichtet und vertieft oder sind – worst case – einen Schritt zurück und haben sozusagen nur mehr die Pflicht erfüllt und die Kür ausgelassen.
Allerdings muss man auch die Auswirkung auf andere Stakeholder neben den Unternehmen berücksichtigen. So hilft das Rahmenwerk, Daten und Leistungen für bspw. Finanzinstitute oder Rating-Agenturen aber auch Arbeitnehmer*innen vergleichbar zu machen, also wie immer gilt: Alles hat Vor- und Nachteile.
Im Laufe deiner Karriere hast du viele Unternehmen und Projekte bei ihrem Weg zu einem nachhaltigeren Umgang mit ihrer Umwelt begleitet. Wie können Unternehmen am besten zu mehr Nachhaltigkeit beitragen?
Das ist die Königsfrage. Aus meiner Sicht ist es essenziell, sich in Ruhe mit seinem Geschäftsmodell und damit den Impacts des Unternehmens in den verschiedenen Bereichen (Soziales und Umwelt und hier wieder in Bereichen wie Energie, Material, Abfall, Emissionen, Kreislaufwirtschaft, …) auseinanderzusetzen. Nicht immer ist die am nächsten und eventuell am einfachsten greifbare Lösung die beste.
Das Verstehen der Auswirkungen und Zusammenhänge des eigenen Wirtschaftens und Handelns ist für Unternehmen genauso wichtig, wie für Privatpersonen und Konsument*innen. Sobald ich verstanden habe, was sich verändert, wenn ich wo ziehe, drehe und schraube, kann ich mir Gedanken machen, WIE ich meine Performance WANN ins Positive oder Negative verändern kann. Sobald ich das analysiert und verstanden habe, geht es im Wesentlichen „nur noch“ um klassische Managementaufgaben wie Zielsetzungen, Zeitrahmen, Finanzierung und Verantwortlichkeiten und schlussendlich „Commitment“, ah ja – und ganz viel Durchhaltevermögen.
Würdest du sagen das NaDiVeG hat dir deine Arbeit erleichtert, mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein zu schaffen?
Ja, ich denke schon. Trotz meiner zwiegespaltenen Meinung dazu und meiner Abneigung gegen Zwänge jeder Art, muss ich zugeben, dass es genaue Richtlinien und gesetzliche (politische) Vorgaben braucht, um Themen wirklich voranzutreiben und nachhaltig etwas zu erreichen.
Von selber werden leider nur die wenigsten aktiv. Da stehen oft andere Zielsetzungen und Interessen im Vordergrund von Entscheidungen und damit des Handelns. Wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt.
Immer wieder wird Unternehmen „Greenwashing“ unterstellt. Tatsächlich ist das Thema der Nachhaltigkeit oft in der Marketingabteilung von Unternehmen angesiedelt. Wie entgegnest du diesen Vorwürfen?
Ich glaube es macht keinen Unterschied, ob das Thema Nachhaltigkeit in der Marketing- oder der HR-Abteilung oder sonst wo angesiedelt ist. Es ist die Frage des Stellenwertes, den das Thema intern bekommt, egal wo es organisatorisch aufgehängt ist. Und unter uns und ganz hart gesprochen, wenn das „Greenwashing“ einen positiven Effekt hat, „why not“? Immerhin ist es besser ein bisschen was zu machen, als gar nichts (sofern es wirklich einen positiven Impact gibt)! Wenn es nur ein Feigenblatt ist, dann wird man dies früher oder später durchschauen.
Ich traue mich zu hoffen, dass unsere Gesellschaft mittlerweile ausreichend sensibilisiert ist, um oberflächliche Marketingaktionen zu durchschauen. Die Frage ist eher, was passiert, wenn dem so ist?
Grundsätzlich glaube ich schon, dass „Greenwashing“ immer schwieriger wird. Dazu hat auch das NaDiVeG positiv beigetragen, möglich ist es aber natürlich immer noch. Nur weil ein Unternehmen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, ist es per se nicht gleich „grün“. Aber es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und keiner sagt, dass alle Unternehmen durch und durch „grün“ werden müssen.
Wenn jede*r einen Beitrag leistet und wir es schaffen, gemeinsam Ziele zu erreichen, wäre das schon ein riesiger Schritt in eine nachhaltige Zukunft. Wobei die Betonung hier allerdings noch auf dem „wäre“ liegt.
Was können Studierende des Studiengangs Wirtschafts- und Finanzkommunikation in ihren künftigen Jobs machen, damit Nachhaltigkeit kein leeres Wort bleibt?
Essenziell in meinen Augen ist die verstärkte Verknüpfung der Finanzwelt mit der Nachhaltigkeitswelt. Auch nachhaltiges Handeln ist mit monetären Werten belegbar. Das ist vielleicht nicht immer einfach zu berechnen (Stichwort true costs) und auch der Einfluss des Faktors Zeit ist dabei nicht immer leicht kalkulierbar. Aber genau hier sollten wir ansetzen. Hier gilt es Systematiken und Standards zu entwickeln und verstärkt Transparenz zu schaffen.
Im Grunde sollten diese zwei Welten gar nicht mehr getrennt voneinander vorkommen und „gedacht werden“. Das wäre etwas, das ich mir wünschen würde. In diesem Sinne: Bleibt bitte dran und verändert unsere Welt in eine nachhaltige Richtung, sie braucht es nämlich dringend. Danke!
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Studiums des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten, mit den Schwerpunkten Corporate & Sustainability Communications, Investor Relations und Digital Reporting. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.
Bildquelle: © Arthur Michalek