Christoph Rainer von UBM Development AG, Head of IR und ESG, im Gespräch mit Ida Wührer und Alina Mantzavinatos vom Master Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten.
Lieber Christoph, Du bist 31 Jahre jung und leitest die Investor Relations von UBM Development, einem börsennotierten und international tätigen Immobilienentwickler mit starkem Fokus auf nachhaltige Immobilien. Was hat Dich inspiriert in die Investor Relations zu gehen?
Das war ein Zufall. Ich bin vor viereinhalb Jahren als Vorstandsassistent zu UBM gekommen und habe diese Funktion zwei Jahre lang bekleidet. Das war das erste Mal, dass ich in einem börsennotierten Unternehmen gearbeitet habe. Davor war ich bei Red Bull. Das hat mit Börse und Kapitalmarkt gar nichts zu tun. Bei der UBM konnte ich das erste Mal sehen, für was eine Investor Relations Abteilung zuständig ist. Wenn ich früher gewusst hätte, was Investor Relations ist, hätte ich mich wahrscheinlich sehr viel früher dafür interessiert. Das Interessante an der Position ist, dass man einen super Einblick in das ganze Unternehmen bekommt. Aber sehr wenige Menschen wissen es.
Es hat sich dann zufällig ergeben, dass die Position in der IR frei wurde. Ich war kein Kapitalmarkt-Experte, aber ich habe die UBM in- und auswendig gekannt. Beim Kapitalmarktwissen hatte ich die Unterstützung von unserem CEO, Thomas Winkler, der über sehr viel Kapitalmarkt-Erfahrung verfügt und früher auch selbst in der IR tätig war. Aktionär*innen und Analyst*innen wollen alles über die UBM wissen. Es kann vorkommen, dass der*die Kleinaktionär*in fragt, wie es z. B. beim Projekt XY in Mainz ausschaut, wie der Baufortschritt ist. Dass ich über die UBM viel wusste, war ein Vorteil. Das ist in der IR besonders wichtig.
Was siehst Du als deine Hauptaufgaben als Head of Investor Relations bei UBM Development?
Meine Hauptaufgabe ist sicher die Finanzkommunikation, die Kommunikation mit unseren Shareholder*innen und dem Kapitalmarkt. In erster Linie heißt das, die Aktionär*innen zu informieren, proaktiv auf sie zuzugehen. Dazu gibt es verschiedene Tools – Conference Calls, Pressemitteilungen, die IR-Website etc. Gewisse Aktionär*innen rufe ich auch öfters an. Auf der anderen Seite müssen wir auf die Fragen von Aktionär*innen eingehen, z. B. wie es aktuell ausschaut, wie es weiter gehen wird? Die Informationsbedürfnisse der Financial Community und Stakeholder*innenmanagement sind also das Fundament meiner Arbeit.
Die Basis, die Pflicht, ist das Reporting – Quartals- und Geschäftsberichte, die aus vielen Standard-Komponenten bestehen wie Lagebericht, Jahresabschluss etc. Hier gilt es, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Bei einem Geschäftsbericht ist vor allem der Imageteil der kreative Part, der sich immer wieder verändert.
Die Kür ist, neue Aktionär*innen zu gewinnen. Das heißt vor allem auf Roadshows fahren, wobei ich das Unternehmen in 15 Minuten vorstellen und überzeugen muss. Also in einer relativ kurzen Zeit neue Aktionär*innen gewinnen, die ihr Kapital dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Das ist der spannendere Teil der IR-Arbeit.
Es sind aber auch andere Sachen, die nach außen hin nicht sichtbar sind. Ich muss immer up to date sein – was im Unternehmen passiert, wie sich die Regulatorik verändert. Die IR ist eine Schnittstelle nach außen und nach innen, es ist auch viel interne Kommunikation. Ich spreche bei uns in der Immobilienbranche mit Projektleiter*innen, damit ich weiß, wie es bei den Projekten gerade aussieht. Ich muss mich auch mit dem Vorstand regelmäßig austauschen.
Die digitale Transformation ist in der Investor Relations ein wichtiges Thema. Wie geht die UBM den digitalen Wandel an? Wie sieht die digitale Strategie der Investor Relations von der UBM aus?
Bei der Digitalisierung der IR geht es vor allem darum, die Prozesse auf die digitale Schiene zu bringen. Früher hatten wir z.B. unsere Stakeholder und unsere Treffen mit ihnen manuell in einem Excel-Sheet verwaltet. Jetzt macht es ein Tool automatisch. Bei der Erstellung des Geschäftsberichts nutzen wir ein Disclosure Management System, das uns die Aufgabe in vielen Formaten ermöglicht. Für Analysen nutzen wir den Bloomberg Terminal oder das Capital IQ pro. Da hat sich schon relativ viel getan.
Die IR-Arbeit wurde durch die Pandemie stark virtualisiert. Vor drei Jahren haben wahrscheinlich sehr viele Investoren*innen nicht gewusst, wie MS Teams funktioniert. Am Anfang der Pandemie war es oft mühsam. Hier hat sich in den letzten 2 bis 3 Jahren zum Glück relativ viel getan.
Ein Aspekt der Digitalisierung ist auch Social Media. Wie wichtig ist Social Media für Investor Relations?
Social Media ist in der Unternehmenskommunikation sehr wichtig. Wir legen bei der UBM unser Hauptaugenmerk in der Kommunikationsstrategie ganz klar auf LinkedIn, haben aber keinen eigenen IR-Kanal. Jeden Tag posten wir einen Blog-Post. Es ist vielleicht nicht klar ersichtlich, dass es sich um Investor Relations Content handelt, es sieht eher nach allgemeiner Unternehmenskommunikation aus. Im Grunde geht es aber um die Equity Story. Die Menschen sollen wissen, was die UBM macht. Derzeit machen wir nur viermal im Jahr IR-Content, wenn wir die Pressemitteilung zum Quartalsergebnis machen.
Warum ist Social Media in Investor Relations immer noch ein Randthema, in der Unternehmenskommunikation aber schon fest verankert?
Das ist einfach. Die IR ist stark von der Regulatorik bestimmt und die ist hier sehr streng. Es ist der Vorsicht geschuldet, die Unternehmen walten lassen müssen, um nichts ins schiefe Licht zu rücken. Es geht eben um Geld. Das ist der Kapitalmarkt. Hier müssen wir immer vorsichtig sein. Man darf keine Marktmanipulation begehen. Man darf niemanden „übers Ohr hauen“.
Social Media ist natürlich auch in der IR wichtig, um die Zielgruppen zu erreichen. Aber wenn wir Social Media nutzen, müssen wir vorsichtig sein. Gleichzeitig können wir traditionelle Medien (noch) nicht ausblenden. Das ist dann wiederum eine Ressourcenfrage.
Eine Anleihe bewerben wir Old School, in Zeitungen. Das ist eine A4-Werbeschaltung mit sehr viel Kleingedrucktem. Damit wir diese Werbung überhaupt schalten können, stimmen sich im Vorfeld mehrere Anwält*innen ab. Wir nutzen für die Bewerbung auch Online Banner, die wir auf gewissen Websites schalten. Wenn Sie auf den Banner klicken, dreht dieser sich um und dann sehen Sie wieder sehr viel Kleingedrucktes. Diese Informationen müssen wir kommunizieren. Social Media Formate, die auf wenig Text und mehr auf Bilder setzen, sind für die IR eine Herausforderung.
Könntest Du dir auch andere Gründe vorstellen, warum so viele Unternehmen noch keinen Social Media Account für ihre Investor Relations haben?
Die Regulatorik ist wahrscheinlich der eine Grund, der zweite ist die Arbeit dahinter. Bei uns arbeitet ein relativ großes Team, um guten Content zu produzieren. Social Media kann nur funktionieren, wenn du fast jeden Tag etwas berichtest, um vom Algorithmus erfasst zu werden.
Wir haben einen guten Weg gefunden. In erster Linie posten wir sehr viel über die Immobilienwirtschaft, Architektur etc. Das hat nicht direkt mit der UBM als Unternehmen zu tun, aber sehr wohl damit, was unsere Kernkompetenz ist. Ein bis zweimal die Woche mischen wir Content von der UBM hinzu. Uns ist jedenfalls wichtig, dass der Content einen Mehrwert bietet.
Das Aktionariat der UBM besteht zu fast 50% aus Streubesitz, die andere Hälfte entfällt auf institutionelle Investoren und den Investor Jochen Dickinger. Wie begegnet die IR der relativ großen und vermutlich heterogenen Gruppe des Free Float?
Beim Free Float würde ich unterscheiden. Mit institutionellen Investor*innen – Versicherungen, Banken, Vermögensverwaltungen – ist die Kommunikation einfacher. Sie treffen wir bis zu viermal im Jahr, im Zuge verschiedener Veranstaltungen, die teilweise auch Banken organisieren. Wir wissen, wer unsere institutionellen Investor*innen sind, was ihre Informationsbedürfnisse sind und wie wir sie am besten bedienen können.
Bei den Kleinaktionär*innen ist es etwas schwieriger, weil wir sie nicht immer kennen. Hier kommunizieren wir ein wenig „ins Blaue“. Wir müssen uns darauf verlassen, dass sie regelmäßig unsere Berichte und Pressemitteilungen lesen, unsere IR-Website besuchen.
Das wichtigste und zugleich in seiner Wirkung das mächtigste Instrument ist die Hauptversammlung, bei der alle Shareholder erfahren, wie es der UBM geht. Bei der Hauptversammlung kann jede*r Aktionär*in mitbestimmen, was bei der UBM passiert. Hier kann ich zumindest einmal im Jahr tatsächlich alle ansprechen.
Wir haben in den letzten beiden Jahren eine zunehmende Virtualität von IR-Events erlebt – virtuelle HV, Online Konferenzen und Roadshows. Ein pandemiebedingter Trend oder werden virtuelle Events die IR künftig noch stärker begleiten?
Ich hoffe nicht. Ich habe festgestellt, dass Online Formate Vorteile und Nachteile haben. Virtuelle Meetings vereinfachen die ersten Treffen mit potenziell neuen Investor*innen. Nach London zu fliegen und am Abend wieder zurück, ohne zu wissen, ob der*die Investor*in künftig investieren wird, macht keinen Sinn. Dass viele dieser Treffen virtuell stattgefunden haben, ist gut, alleine aus Nachhaltigkeitsgründen.
Roadshows haben sich wiederum eher physisch bewährt. Bei einer Roadshow hatten wir an einem Tag 13 Einzelgespräche zwischen 09:00 und 18:00 Uhr. Virtuell hätten wir bestenfalls 2 oder 3 abgeholt. Wenn es ums Geld geht, ist es besser, wenn man sich in die Augen schauen kann, im persönlichen Kontakt, durch Gestik und Mimik ein Gefühl dafür bekommt, wie es dem Unternehmen geht. Und – die Hemmschwelle, persönliche Treffen abzusagen ist größer.
Bei Hauptversammlungen kommt es auf Unternehmensgrößen an, ob virtuelle oder physisch besser ist. Die UBM ist ein relativ kleines Unternehmen. Für uns macht die physische Hauptversammlung mehr Sinn.
Die UBM konzipierte in Kooperation mit dem Master Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten den Capital Market Day. Was wird einen guten Capital Market Day der Zukunft ausmachen?
Die UBM hatte in den letzten 10 Jahren keinen Capital Market Day, wir haben hier also keine ausgeprägten Erfahrungen und wollten uns neu inspirieren lassen. Capital Markets Day soll ein informativer Tag sein, zu dem jede*r Aktionär*in der UBM kommen kann und begeistert vom Unternehmen nach Hause geht. Er soll auch eine Atmosphäre bieten, in der die Aktionär*innen mit dem Vorstand plaudern können oder sich in Ruhe und vielleicht auch in einem ausgefallenen und überraschenden Format, an das sie sich erinnern werden, die UBM kennenlernen können.
Für viele Unternehmen sind die Standards und Richtlinien zur ESG noch eine Herausforderung. Wird ESG durch die Regulatorik – die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – für Unternehmen greifbarer?
Es ist schwierig, die Regulatorik wie die EU-Taxonomie von heute auf morgen in Unternehmen umzusetzen. Das Thema ist wichtig, die Regulatorik an sich sinnvoll. Aber leider ist es auch ein Papiermonster. Es herrscht noch viel Unwissen zu dem Thema.
Wir waren relativ früh dran, auch weil es mich persönlich interessiert. Unser Claim lautet „smart.green. and more“, das ist unsere Strategie. Unser Fokus liegt auf Holz. Nachhaltigkeit ist de facto in unserer DNA. Aber es hat ein Jahr gebraucht, bis die Mitarbeiter*innen wussten, was ESG ist. Das Wissen und vor allem das Bewusstsein aufzubauen, braucht Zeit.
Nachhaltigkeitskompetenz extern zu beziehen ist auch möglich, aber kostspielig. Es gibt viele selbsternannte ESG-Expert*innen und Berater*innen, die das Thema – leider – als Geschäftsmodell sehen. Hier muss man die Spreu vom Weizen trennen können.
Wir haben immer schon viel zu den Themen Nachhaltigkeit gemacht, haben seit Langem eine CSR-Abteilung, es war aber für die Öffentlichkeit bislang nicht relevant. Das ändert sich jetzt.
Warum haben sich andere Unternehmen so viel Zeit gelassen beim Thema Nachhaltigkeit?
Das ist vor allem ein Ressourcen Problem. Für ein börsennotiertes Unternehmen ist das ein bisschen leichter, weil wir ohnehin bei Corporate Governance hohe Anforderungen erfüllen müssen. Für uns stellt es vor allem in der Zusammenarbeit mit kleineren Unternehmen ein potenzielles Problem dar, dort merken wir die Engpässe. Wir arbeiten, so wie viele Unternehmen, mit Lieferant*innen, die eigentümergeführt sind, keinen Bankkredit haben, an niemanden berichten müssen, keinen ESG-Bericht erstellen. Damit können wir nicht kontrollieren, wie nachhaltig die Lieferkette ist, selbst wenn wir unser Bestes geben. Hier ist die erhöhte Regulatorik sicher sinnvoll.
Welchen Rat würdest Du Unternehmen geben, die sich mit der ESG-Berichterstattung überfordert fühlen?
Unternehmen, die gerade erst damit starten, würde ich empfehlen, als Erstes eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Was sind die wesentlichen Punkte, die ich als Unternehmen ansprechen möchte im Bereich der Nachhaltigkeit. Und dann step by step, man muss es langsam angehen, damit die Mitarbeiter*innen abgeholt werden.
Welches Wirkungspotenzial würdest Du der ESG-Regulatorik zusprechen?
Die EU-Taxonomie hat absolute Berechtigung. Gäbe es sie nicht, würde sich nichts verändern. Wir sehen die Probleme wie Klimaerwärmung. Kurz: ich bin ein Befürworter der Regulatorik.
Du bist vor kurzem in den Vorstand von CIRA gewählt worden. Head of IR ist schon eine anspruchsvolle Tätigkeit. Warum dieses Engagement für die IR Community?
Beim CIRA sind sehr viele Heads of IR, IR- Manager*innen, generell der ganze Kapitalmarkt Österreichs. Es ist eine gute Netzwerkplattform, die ich sehr schätze. CIRA ermöglicht fachlichen Austausch zu IR-Themen. Wir haben eine Whatsapp-Gruppe, in der wir IR-relevante Neuigkeiten posten und darüber sprechen. Ich kann erfahrenere Kolleg*innen anrufen und sie nach ihrer Meinung fragen. Es ist eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig unterstützt. Und auch eine Möglichkeit, über den Tellerrand zu blicken, neue Inspiration zu bekommen.
Was sind Deine Ziele als CIRA Vorstand?
Ich will die jüngere Generation stärker einbinden, weil IR ein interessanter Beruf ist und es schade ist, dass kaum jemand weiß, dass es ihn gibt. Das sollte sich ändern. Das Thema Finanzbildung sollte gestärkt werden. Wir erleben, dass es durch Tools, wie z. B. die Sunrise Capital App, viel leichter ist als vor 15 Jahren, Aktien zu kaufen. Mehr Aufklärung zu diesen Themen zu schaffen ist ein wichtiges Ziel.
Uns als künftige IR-Manager*innen würde es natürlich freuen, wenn Deine Pläne aufgehen. Wie könnten junge Menschen für die IR inspiriert werden? Woraus schöpfst Du die Inspiration für deine IR-Arbeit?
IR ist viel Kommunikation, viel Austausch mit anderen Kolleg*innen und Unternehmen, auch über die Landesgrenzen hinweg. Bei Nachhaltigkeitsthemen hole ich mir die Inspiration z. B. in Skandinavien, da diese Länder in dem Bereich besonders fortgeschritten sind. Ich mache Benchmark-Analysen mit anderen Peers aus der Immobilienbranche, sehe mir aber auch andere Branchen an, die in Sachen Nachhaltigkeit als Vorreiter gelten.
Es gibt Sachen, die würden auch Spaß machen, sie machen aber für die UBM (noch) keinen Sinn. Ich würde z. B. gern einen guten Imagefilm für die UBM drehen, der leider ein Vermögen kostet, vermutlich aber nur von 50 Menschen angesehen werden würde und keine wirkliche Auswirkung auf den Aktienkurs hat. Diese Abwägung muss man in der IR immer treffen. Welche Maßnahmen haben den größten Impact. Auch darüber nachzudenken, macht die IR-Arbeit spannend.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und auch weiterhin viel Erfolg!
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Studiums des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten, mit den Schwerpunkten Corporate & Sustainability Communications, Investor Relations und Digital Reporting. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.
Bildquelle: © Philipp Horak