Alena Flemmer, IR-Managerin bei Scout24 im Gespräch mit Katja Haunold, Leon Hollogschwandtner und Matthias Schnabel vom Master-Studiengang Digital Business Communications der FH St. Pölten.
Alena, du bist seit einem Jahr als Investor Relations Managerin bei Scout24 tätig, einem börsennotierten Unternehmen mit vielen verschiedenen Plattformen für Immobilieneigentümer*innen, Makler*innen und Mieter*innen. Was hat dich grundsätzlich dazu inspiriert, in die IR von Scout24 zu gehen?
Ja, das ist richtig. Ich bin seit November 2021 bei Scout24 in der IR tätig. Ich war zuvor schon von 2017 bis 2018 als Werkstudentin bei Scout24. Mir hat es damals wahnsinnig gut gefallen und ich wollte dann nach meinem Master Studium an der FH St. Pölten dort weiter anknüpfen.
Für mich war es damals wichtig, viele bekannte Gesichter wiederzusehen und zu wissen, dass ich mich wohlfühlen werde. Scout24 hat diese „Start-up-Mentalität“. Trotzdem sind die Prozesse so weit etabliert, dass man sich gut einarbeiten kann. Es ist immerhin ein MDAX-Unternehmen. Wenn man so will, ist es das Beste aus beiden Welten. Man ist dennoch relativ frei, man kann sich sehr stark selbst einbringen, die Hierarchien sind flach und man darf sehr schnell Verantwortung übernehmen. Das kannte ich schon aus der Werkstudentenzeit. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.
Jemand, der in der IR arbeitet, muss vom Unternehmen und dem Geschäftsmodell überzeugt sein. Und in einem Land, in dem Digitalisierung noch nicht den allerhöchsten Stellenwert hat, ist es super interessant, in einem Unternehmen zu arbeiten, das versucht, den gesamten Prozess rund um den Verkauf, die Vermietung und Verwaltung von Immobilien zu digitalisieren. Für mich persönlich war es auch wichtig, in ein Unternehmen zu gehen, das seinen Fokus auf Nachhaltigkeit legt.
Scout24 besteht aus mehreren Marken. Die bekannteste ist wahrscheinlich ImmoScout24. Im letzten Jahr hat sich das makroökonomische Umfeld nicht nur in Deutschland sehr verändert. Wie geht ihr in der IR mit diesem Thema um und wie schafft es die IR in einem volatilen Umfeld, wie wir es jetzt vorfinden, Vertrauen bei Aktionär*innen zu schaffen?
Genau diese Themen sind täglicher Bestandteil unserer Arbeit, denn unsere Investor*innen informieren sich in jede Richtung und vor allem wollen sie von uns wissen, wie sich diese verschiedenen Entwicklungen und Trends des Immobilienmarktes auf unser Geschäft und auf unsere Kund*innen, wie zum Beispiel die Makler*innen, auswirken.
Die Schwierigkeit ist, dass wir keine Glaskugel haben. Wir versuchen, realistische Erwartungen zu kommunizieren, als Ansprechpartner erreichbar zu sein und einen niedrigschwelligen Kontakt zu bieten, vorwiegend über Mail und Telefon. Wir besuchen auch viele Roadshows und Konferenzen. Grundsätzlich ist es wichtig, auch mal schnell Fragen zu beantworten, etwa wenn jemand fragt: „Ich hab‘ da was gelesen, was sagt ihr zu dem Thema?“.
Auf dem Kapitalmarkt wird der GenZ eine stetig größere Rolle zugesprochen. Die GenZ ist auch unter den Aktionär*innen die am stärksten wachsende Gruppe. Auf welche Zielgruppen legt ihr in Eurer IR-Arbeit den Fokus und wie begegnet Ihr den verschiedenen Anforderungen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen?
Unser Tagesgeschäft ist vor allem dadurch geprägt, dass wir – vermutlich aufgrund unserer Aktionärsstruktur – viel Kontakt zu den institutionellen Investoren haben. Zur Zielgruppe GenZ zählen vor allem Privatanleger*innen. Wenn uns jemand kontaktiert, dann sind es meistens die institutionellen Investoren oder die Finanzanalyst*innen. Aber wir versuchen natürlich dem Informationsbedürfnis aller Investorengruppen nachzukommen.
Mit Analyst*innen führen wir regelmäßig Gespräche, meist kurz vor den Veröffentlichungen der Quartals- und Jahresberichte. Sie interessieren sich vor allem für den Konsensus, den sie mitgestalten, also die Zusammenfassung von Schätzungen und Prognosen. Da versuchen wir Erwartungsmanagement zu betreiben und abzuklären: „Ist das realistisch, welche Annahmen ihr in euren Modellen trefft? Was hat sich gegebenenfalls im Markt verändert? Was hat sich bei Scout24 verändert und wie wirkt sich das im Zweifel auf eure Modelle aus?” In der IR geht es vor allem darum, ein Kontaktpunkt zur Financial Community zu sein, ein fester Ansprechpartner, um den Bedürfnissen der Stakeholder gerecht zu werden.
Also konzentriert ihr euch vor allem auf institutionelle Investoren und Analyst*innen und ihre Bedürfnisse?
Wenn mich ein Privatanleger oder eine Privatanlegerin kontaktieren würde, würden wir die Anfrage natürlich genauso beantworten, wie bei einem institutionellen Investor. Aber das kommt in der Praxis selten vor, was vermutlich daran liegt, dass der Anteil unserer privaten Anleger*innen relativ gering ist.
Ich habe kürzlich den Vortrag der Uni Leipzig über die „Generation Aktie“ gehört. Die GenZ investiert erfreulicherweise vermehrt in Aktien und hat offenbar auch Vertrauen in die Publikationen, die wir als IR zur Verfügung stellen. Trotzdem traut sich aber niemand, bei der IR anzurufen oder uns eine Mail zu schreiben. Das ist schon interessant. Insofern richten wir uns mehr auf die Kontaktbedürfnisse der Institutionellen ein. Aber prinzipiell ist dieses Kommunikationsangebot für alle da, unsere Telefonnummern und E-Mail-Adressen stehen auf der Website.
Welche Kommunikationskanäle nutzt ihr in der IR, um eben die Informationsbedürfnisse zu decken? Glaubst du, dass ihr die GenZ – ich frage dennoch – als potenzielle Investor*innen mit Eurer gegenwärtigen Kommunikationsstrategie erreicht?
Die GenZ informiert sich weitestgehend digital. Wenn wir unsere IR-Website zur digitalen Kommunikation zählen, dann adressieren wir damit auch die GenZ. Dort stellen wir alle relevanten Informationen zur Verfügung. Social Media nutzen wir in der IR auch, zum Beispiel LinkedIn für Ergebnisveröffentlichungen. Da ist noch viel Spielraum nach oben, aber der Aufwand muss im Verhältnis zur Wirkung stehen.
Würdest du die Informationen demnach für Institutionelle und Privatanleger*innen unterschiedlich aufbereiten?
Gute Frage. Ich glaube, dass sich institutionelle Investoren hauptsächlich unsere Berichte und IR-Meldungen anlässlich der Veröffentlichungen ansehen. Sie konzentrieren sich am Ende auf unser Zahlenwerk. Was sie auch stark nutzen, ist der direkte Kontakt. Das nutzen Privatanleger*innen, zumindest meiner Erfahrung nach, eher weniger. Für private Anleger sind vermutlich ebenfalls die Berichte das Informationsmittel der Wahl. Wir versuchen unsere Kommunikationsmittel natürlich an allen Investorengruppen nachvollziehbar auszurichten.
Scout24 publiziert den Geschäftsbericht und den Nachhaltigkeitsbericht derzeit in PDF – warum nicht in HTML? Habt ihr Pläne, mehr in diese Richtung zu gehen?
Soweit ich weiß, gab es bei Scout24 auch vor meiner Zeit keinen HTML-Bericht. Geschäftsberichte wurden immer „nur“ als PDF veröffentlicht. Wir beobachten auch, welche Zusatzangebote zu unserer Berichterstattung noch genutzt werden, wie z.B. Videos oder Image-Stories. Am Ende müssen wir aber überlegen, ob die Maßnahmen im Verhältnis zur gewollten Wirkung stehen. Derzeit gibt es keinen Plan daran etwas zu ändern. Wenn, dann eher in die Richtung eines integrierten Berichts, aber auch dieser wird dann wahrscheinlich ein PDF bleiben. Wir setzen aber schon auf Videoformate, um über unsere Ergebnisse zu sprechen.
Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit für Scout24 in den Investor Relations.
Nachhaltigkeit hat einen starken Einfluss auf die IR-Arbeit. Wir haben viele Investor*innen, die zu diesen Themen Fragen haben und oder ganz explizit Termine zu ESG-Inhalten mit unserem Sustainability-Team vereinbaren wollen. Die Sustainability-Kolleginnen leisten da wirklich Enormes.
Die Regulatorik ist sehr komplex. Mit der EU-Taxonomie, der CSRD oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gibt es einiges, was da gerade in der Pipeline ist. Das alles muss auch in die Praxis umgesetzt werden, alles muss ins operative Geschäft überführt werden. Das stellt natürlich eine große Herausforderung dar.
Wie hat die Nachhaltigkeitsberichterstattung eure Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Ein IR-relevantes Thema sind ESG-Ratings. Da ist es wichtig zu entscheiden, was für mich als Unternehmen Sinn macht. Welche Ratings sehen sich unsere Stakeholder an und welche müssen wir nicht unbedingt bedienen. Im operativen Tagesgeschäft der IR bedeutet es vor allem Excel-Tabellen und Rating-Bestandteile, die wir reviewen.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich immer mehr zum Integrated Reporting und verknüpft die Nachhaltigkeitsthemen mit unserem Zahlenwerk. Insofern werden Nachhaltigkeitsthemen künftig noch viel stärkeren Einfluss haben auf die IR.
Ansonsten haben wir im ESG-Kontext noch Sonderprojekte wie die Governance Road Show zum Beispiel. Die organisieren wir einmal im Jahr oder alle zwei Jahre mit unserem Aufsichtsrat.
IR-Manager*innen sollten demnach große Nachhaltigkeitsaffinität mitbringen, richtig?
Ein*e IR-Manager*in sollte prinzipiell ein gewisses Interesse für Nachhaltigkeitsthemen mitbringen. ESG ist aber mittlerweile ein so großes Thema, dass wir ein eigenes Sustainability-Team aufgebaut haben, das sich inhaltlich und operativ darauf fokussiert. Ich kenne aber auch andere Unternehmen, die das Thema ESG direkt in ihrer IR-Team integriert haben. Da gibt es organisatorisch vielfältige Lösungen. Wie bereits erwähnt, gibt es natürlich viele Berührungspunkte zwischen IR und der ESG-Thematik – man sollte sich in jedem Fall darüber bewusst sein, dass es ein integraler Bestandteil des Tagesgeschäfts eines IR-Beauftragten ist.
Das bedeutet vermutlich, dass zu dem klassischen Aufgabenspektrum von IR-Manager*innen neue Kompetenzen dazu kommen.
Ja, wir hatten im Zuge der Entwicklung des neuen Curriculums des Master-Studiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten mit Monika Kovarova-Simecek viel darüber gesprochen. ESG war bei uns im Studium Teil eines Praxisprojekts mit Josef Baumüller und das war total hilfreich, weil wir dabei auch gelernt haben, was beispielsweise eine gute nichtfinanzielle Erklärung ausmacht oder wie eine Wesentlichkeitsanalyse idealerweise aussieht. Das Thema ESG ist im Moment natürlich ein gefühlt endloses Feld und ich glaube, da wird sich die „Best Practice“ erst in Zukunft zeigen.
Du hast in Berlin BWL, dann in St. Pölten den Master Wirtschafts- und Finanzkommunikation (heute Digital Business Communications) studiert und viele Praktika in verschiedenen Unternehmen in Deutschland und Österreich absolviert. Was hast du durch diesen internationalen, abwechslungsreichen Werdegang gelernt?
Durch die Praktika und Werkstudentinnen-Jobs habe ich viele Unternehmen von innen gesehen, ich habe bei Unternehmen selbst gearbeitet, aber auch bei Beratungen. Diese Vielseitigkeit ist viel wert – mir hat Arbeiten sowieso grundsätzlich immer sehr viel Spaß gemacht. Ich habe zum Beispiel bei einem Online-Versandhändler gearbeitet, was etwas ganz anderes ist als etwa bei einem Automobilzulieferer. Einerseits von der Unternehmenskultur und andererseits werden andere Schwerpunkte gesetzt.
Ich habe auch das Gefühl, dass man sich schneller einarbeitet, wenn man schon viel gesehen hat. Ich habe auch mehrere IR-Stationen durchgemacht, mal eher für die Analysten-Seite gearbeitet, mal den Fokus auf den Geschäftsbericht gelegt. Diese verschiedenen Aufgaben sind wahnsinnig interessant. Es war wichtig, das alles gemacht zu haben, bevor ich wirklich in die IR eingestiegen bin – um auch zu wissen, was möchte ich und was möchte ich nicht? Worin bin ich gut? Wo habe ich inhaltlich noch Aufholbedarf? Das ist der größte Benefit, dass man Einblick in all diese Prozesse bekommt.
Also würdest du das uns Student*innen auch empfehlen?
Ja, wenn Ihr während des Studiums arbeiten und Praxiserfahrung sammeln könnt, dann würde ich sagen, je mehr und vielfältiger, desto besser. Übrigens bieten wir auch bei Scout24 immer wieder Stellen für Studierende an.
Das erste Mal warst du 2017 in der IR tätig, mittlerweile seit mehr als zwei Jahren durchgehend. Woraus schöpfst du Inspiration für deine Arbeit?
Das ist eine total gute Frage, weil ein großer Teil der Arbeit reguliert ist: was, wie und wann veröffentlicht werden darf oder muss. Insofern war meine erste Überlegung, als ich in die IR kam, wo der größte creative space ist, also wo ich mich am meisten selbst einbringen kann. Da gibt es viele Möglichkeiten.
Ich lerne am meisten von meinen Peers, von meinen Kolleg*innen, die schon länger dabei sind oder auch von meinem Kollegen, der zum gleichen Zeitpunkt angefangen hat wie ich, aber ein etwas anderes Aufgabenfeld hat. Manchmal ist es einfacher, Kolleg*innen zu fragen als vielleicht mal den Chef.
Da hole ich mir viel Input. Natürlich zehre ich auch von meinen Vorerfahrungen. Da sammelt man auch viel Inspiration: Was macht vielleicht Unternehmen A anders als Unternehmen B, wird irgendein Kommunikationsangebot viel genutzt? Das kann man Schritt für Schritt einbringen und umsetzen. Und dann ist es auch das persönliche Bauchgefühl. Wenn man neu in ein Unternehmen kommt, blickt man auf die Dinge mit einem frischen Auge, und hinterfragt Dinge: „Macht das so Sinn, dass wir das auf der Webseite darstellen oder wäre das so und so nicht viel schöner?“ Da kann man sich schon kreativ einbringen.
Wann wusstest du, dass du in die IR möchtest?
Tatsächlich war ich viel in der Unternehmenskommunikation tätig, habe damals vor meinem Studium eine Berufsausbildung zur Industriekauffrau gemacht und war dann lange in der Kommunikation. Abgeschlossen habe ich mein BWL-Studium mit Finance-Vertiefung und da war die IR eine logische Verknüpfung der Kommunikation und der Finanzinhalte. Es ist ein total spannendes Feld, weil es so vielseitig ist und auch eher ungewöhnlich. Ich glaube, dass viele BWL-Absolvent*innen nie etwas von IR gehört haben, aber genau diese Verknüpfung fand ich total interessant.
Was uns noch interessieren würde: Wie bist du nach St. Pölten gekommen? Das ist doch eher ungewöhnlich, deinen Bachelor hast du ja in Deutschland gemacht.
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, den Schwerpunkt auf die Inhalte zu legen. Also mir zu überlegen: Was bringt mich inhaltlich am meisten weiter? Was sind die Aufgaben und Erfahrungen, die mich am meisten interessieren? Ich hatte schon in meinem Bachelor sehr stark auf den IR-Schwerpunkt gesetzt und habe dann eben nach einem Master gesucht, der inhaltlich dazu passt. Ein reiner Finance-Master wäre es für mich nicht gewesen und ganz ehrlich: Die FH St. Pölten hatte in dieser Hinsicht einfach inhaltlich das beste Angebot. Also einen Master mit diesem Schwerpunkt, den gibt es so in Europa kein zweites Mal. Das war der eine Grund. Und der zweite Grund ist, dass mein jetziger Mann zu der Zeit in Wien gewohnt hat. Das war dann der private Bonus.
Vielen Dank für das Gespräch und die vielen Einblicke!
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Studiums des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten, mit den Schwerpunkten Corporate & Sustainability Communications, Investor Relations und Digital Reporting. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an die Studiengangsleiterin Monika Kovarova-Simecek.
Bildquelle: © Scout24